Sekretär Friesinger begrüßt die Anwesenden, dankt für das große Interesse und weist auf die Wichtigkeit der Beteiligung an Projekten der Europäischen Kommission auch für Geisteswissenschaften hin. Anschließend wird eine Änderung der Tagesordnung vorgeschlagen. Punkt 4 (Bildung eines Steering Committee der Arbeitsgruppe) wird erweitert und lautet nun: Bildung eines Steering Committee der Arbeitsgruppe und Einsetzung von Fachausschüssen. Die geänderte Tagesordnung wird einstimmig genehmigt.
Unter Verweis auf die Task forces der EU zu den Themen Bibliotheken, Multimedia, Bildung und Training werden die Probleme Österreichs bei der Beteiligung am Bibliotheks-Programm (innerhalb des Programmes Telematikanwendungen) erläutert, doch wäre eine Beteiligung österreichischer Bibliotheken, vor allem von Musikbibliotheken, ein Desideratum sowohl der EU als auch von österreichischer Seite. Die Erfahrungen mit den Forschungsprogrammen de EU haben gezeigt, daß Österreich gerade auf dem Gebiet der Bibliotheksentwicklung und -forschung großen Nachholbedarf hat. Ziel des nun angeregten Forschungsschwerpunkte (es wird auf den entsprechenden Entwurf verwiesen, der der Einladung zu Sitzung beigelegen hat) ist daher, in Form von fünf bis acht Forschungsprojekten auf nationaler Ebene Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, zur Bewußtseinsbildung und zur Abklärung spezifischer Probleme (z.B. Copyright) zu setzen und Österreichs Bibliotheken auf diesem Weg europareif(er) zu machen.
Eröffnung der Diskussion über den Entwurf eines Nationalen Forschungsschwerpunktes Digitale Bibliotheken und Archive als zentrale Informationsvermittler mit dem Hinweis darauf, daß keine Endredaktion eines Antrages vorgesehen, sondern vielmehr eine fachliche Diskussion gewünscht ist. Anwesende Vertreter der Bibliotheken beginnen mit einer kurzen Analyse des Ist-Zustandes der österreichischen Bibliotheken, deren Niveau viel tiefer liegt als im europäischen Standard. Man sei sich bewußt, wie wichtig ein Weg zum Nachweis der Dokumente, der Zugang zu (digitaler) Information sei, doch scheitere dies weitgehend bereits an der Erstellung eines Kataloges in elektronischer Form. Es wird auf das Problem der Retrokonversion hingewiesen, welche jedoch eine wesentliche Basis der Digitalen Bibliothek sei. Es wird festgestellt, daß ein OPAC international nicht mehr das Ziel, sondern (selbstverständliche) Voraussetzung ist - der digitale Volltext sei das Desideratum der Informationsgesellschaft.
Zur Diskussion der neuen Rolle der Bibliotheken als zentrale Informationsvermittler wird erneut auf die großen und interessanten Bestände in Österreichs Bibliotheken hingewiesen. Die Modernisierung von bestehenden Strukturen wird als unabdingbare Notwendigkeit (Schwerpunktsetzungen, moderner Zugriff auf die Gesamtinformation, Dokumentenaustausch auf vollelektronischem Wege, Pflichtabgabe auch elektronisch vorliegender Publikationen bzw. bei Büchern auch von deren elektronisch gespeicherten Versionen) erachtet. Der Weg von der Speicherbibliothek zur digitalen Bibliothek ist auch aus wirtschaftlichen Gründen notwendig. Um ein optimales Verhältnis von Kosten und Nutzen erzielen zu können, muß jedoch beachtet werden, daß ein für Österreich einheitliches und europaweit kompatibles Verbundsystem gewählt wird.
Mehrere Beiträge unterstreichen die bisher besprochenen Punkte und informieren über das neue Programm der Europäischen Kommission, INFO 2000, in welchem der Wertschöpfungskette besondere Bedeutung eingeräumt wird; es ist in Österreich hoch an der Zeit sich dieser Kette anzuschließen.
Besonders aus österreichischer Sicht ist der Schwenk auf Inhalte von Bedeutung, wobei die österreichische Softwareindustrie Probleme hat, an die Inhalte, welche in den österreichischen Bibliotheken, Archiven und Museen überreich vorhanden sind, heranzukommen; wünschenswert wäre daher eine nationale Vermittlungsstelle für Inhalte.
Vermieden werden sollte eine Situation, die traditionelle gegen digitale Bibliotheken ausspielen könnte - beide sollten einander sinnvoll ergänzen. Wichtigstes Ziel für die Bibliotheksforschung in Österreich und auch ein Schwerpunkt der Initiative ist, möglichst bald eine breite politische Unterstützung zu erreichen, welche wiederum eine wichtige Basis für eine erfolgreiche Bibliotheksbeteiligung an Projekten der Europäischen Kommission darstelle. Es wird die Meinung vertreten, daß aufgrund personeller Knappheit und einer enggefaßten Aufgabenstellung des NFP dieser nicht das Gremium zur Diskussion von Fachfragen sein könnte; abgesehen davon werden Forschungsstudien unterstützt, da diese erfahrungsgemäß höhere Resonanz in Bürokratie und Öffentlichkeit zu erwarten haben.
Zu Problemen der Gesamtintegration und Verbund wird ausgeführt: Wichtig sei der Ausbau der nationalen Infrastruktur und die Entwicklung und Implementierung tragfähiger und leistungstarker Bibliotheksverbünde ähnlich PICA oder jenen in den USA, abzulehnen sind neuerlich singuläre Lösungsmodelle, vielmehr solle man sich an bewährten internationalen Lösungen beteiligen. Die Erstellung einer Prioritätenliste ist notwendig, um bei der Digitalisierung Doppelgleisigkeiten zu vermeiden und einen möglichst hohen Synergieeffekt zu erzielen. Aus taktischen Gründen solle sich Österreich anfangs bewußt mit europäischen Inhalten präsentieren. Darüberhinaus ist aus der Praxis kronkrete Unterstützung zu erwarten. Vom Ansatz der Informationsgesellschaft ausgehend sei vor allem die praktische Umsetzung, die Kooperation unterschiedlicher Bereiche ein Desideratum, der Forschungsschwerpunkt solle mehr ein Arbeitsschwerpunkt sein, sich auf jeden Fall nicht im akademischen Vakuum alleine bewegen. Es wird auf die große Bedeutung der Grundlagenforschung hingewiesen, welche besonders in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nicht art pour l´art betrieben werde; ferner möge auch das konservatorische Problem nicht völlig außer acht gelassen werden.
im Hinblick auf die finanzielle Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse wird für Firmenbeteiligung plädiert. Das Problem der Langzeitspeicherung für große Datenmengen ist auch im Bereich der digitalen Bibliothek präsent. Die Verantwortung für die Dokumentensicherung ist wie im Bereich der traditionellen Bibliotheken wahrzunehmen.
Es wird vorgeschlagen, die Kooperation mit dem National Host aufzunehmen, da es sinnvoll erscheint, für einen inhaltlichen Knoten die Infrastruktur des National Host zu nützen.
Es wird beschlossen, einen Antrag zur Förderung eines Forschungsschwerpunktes Digitale Bibliotheken an die Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst, Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, wirtschaftliche Angelegenheiten und an das Bundeskanzleramt zu stellen.
Die Teilnehmer werden gebeten, Vertreter zur Konstituierung einer Programmgruppe zu nominieren. Es werden drei Fachausschüsse (Management, Copyright, Technik) gegründet.
Wien, am 6. Dezember 1996
Dr. Werner A. Deutsch
Mag.Dr. Elisabeth Th. Hilscher
Der Volltext des Protokolls ist erhältlich via Email:
Elisabeth.Hilscher@kfs.oeaw.ac.at